Der Kapitalismus ist ein Gefängnis

Es gibt nur eine Schwierigkeit für dieses Gefängnis, nämlich die, zu beweisen, dass es kein Gefängnis ist, sondern ein Hort der Freiheit.

F. Dürrenmatt
Ulrike Herrmann wird am 27. November an der OST über das Ende des Kapitalismus sprechen.

Als Studiengangleiter und Professor werde ich häufig zu Innovationsveranstaltungen zum Thema Klima, Energie und Umwelt eingeladen. Die Hauptattraktion solcher Anlässe sind meist einige Hauptredner (seltener Hauptrednerinnen) aus Politik und Wirtschaft, die das Problem als «Chance für die Schweizer Wirtschaft» darstellen und die Teilnehmenden auffordern, nach innovativen Lösungen zu suchen, die den Wirtschaftsstandort stärken und gute Arbeitsplätze schaffen.

Nichts gegen eine starke Wirtschaft, aber ich würde es begrüssen, wenn der Nutzen für die Umwelt auch einmal erwähnt würde. Windturbinen in den Alpen aufzustellen, um Strom für gigantische Werbedisplays zu erzeugen, die den sinnlosen Konsum ankurbeln, ist nicht besonders intelligent, auch wenn damit Geld verdient werden kann.

Das Hauptproblem ist aber, dass das Diktat des Wachstums den Parameterraum der Innovation von aussen einschränkt und die Ingenieure und Wissenschaftler sich dies gefallen lassen. Es gibt viele Lösungen der Klimakrise, aber die wenigsten davon sind im bestehenden Wirtschaftssystem mit massiv subventionierten fossilen Brennstoffen rentabel. Eine wichtige Aufgabe der Wissenschaft wäre, den Politikern klarzumachen, dass die Quadratur des Kreises nun mal nicht möglich ist. Wenn dies als Einmischung der Wissenschaft in die Politik verstanden wird, haben wir das Zeitalter der Aufklärung endgültig hinter uns gelassen.

Wenn Wissenschaftler und Ingenieure sich nicht trauen, die Wahrheit zu sagen, müssen andere in die Bresche springen. Es freut mich sehr, dass wir die deutsche Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann für einen Vortrag an der OST gewinnen konnten. In ihrem grossartigen Buch «Das Ende des Kapitalismus» erklärt sie, wieso das Überleben der Menschheit die kontrollierte Abschaffung des Kapitalismus erfordert. Ich bin persönlich nicht in allen Punkten mit ihr einverstanden, aber die Diskussion verspricht spannend zu werden.


Das Ende des Kapitalismus!
Öffentlicher Vortrag von Ulrike Herrmann am 27. November an der OST in Rapperswil
Weitere Details und Anmeldung auf Eventbrite.


Wie Einstein es so treffend formuliert hat, können Probleme niemals mit der gleichen Denkweise gelöst werden, durch die sie entstanden sind. Für eine positive Vision der Zukunft brauchen wir neue Ideen. Und dafür müssen wir alle den Mut haben, die richtigen Fragen zu stellen.

Unwissen schützt nicht vor Strafe

Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: Halt du sie dumm, – ich halt’ sie arm!

Reinhard Mey, Sei Wachsam

Seit 10 Jahren halte ich öffentliche Klimavorträge. Genützt hat es nicht viel, denn in dieser Zeit hat die Menschheit weitere 370 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) Kohlendioxid ausgestossen, wodurch die Konzentration in der Atmosphäre von 396 auf 420 ppm gestiegen ist und sich unser Planet um weitere 0.2°C erwärmt hat. Das 1.5-Grad-Ziel ist inzwischen aufgegeben worden und noch nie wurde so viel Kohle verbrannt wie im Jahr 2022.

Meinen ersten Klimavortrag habe ich auf Wunsch der Studierenden im Jahr 2013 gehalten und der Hörsaal war entsprechend voll. Heute ist es deutlich schwieriger, das Interesse der jungen Menschen für ihre eigene Zukunft zu wecken. Es ist, als hätten die meisten von ihnen schon aufgegeben und daran sind nicht nur die Medien, sondern auch das Bildungswesen schuld.

Kürzlich hatte ich mit einigen Kolleginnen und Kollegen eine Diskussion über den Inhalt des Ingenieurstudiums. Mein Vorschlag, dass die Unmöglichkeit eines Perpetuum Mobiles zur Abgangskompetenz gehören müsste, ist nicht gut angekommen. Stattdessen werden naturwissenschaftliche Fächer überall gestrichen, um Platz für andere Themen zu schaffen. Das Ergebnis ist, dass immer weniger Menschen verstehen, wie die Welt funktioniert.

Was ist die Aufgabe des Bildungswesens? Sollen wir kritisch denkende Menschen ausbilden, die in der Lage sind, die Welt zu verstehen und die richtigen Fragen zu stellen? Oder besteht die Aufgabe darin, gefügige Lohnsklaven zu produzieren, die hart arbeiten, um die Renten ihrer Eltern zu finanzieren? Müssen die Studierenden wissen, dass unbegrenztes Wachstum auf einem endlichen Planeten unmöglich ist? Müssen sie verstehen, dass sie in einer Gesellschaft leben, in der sie von allen Seiten angelogen werden?

Ihr finanziert uns die Renten und erbt dafür den Klimawandel.

Dr. Daniel Sager, DEZA

Letzte Woche habe ich mir meine erste Klimapräsentation aus dem Jahr 2013 wieder angeschaut. Alles war richtig aber meine Aussagen waren nicht radikal genug. Zu jener Zeit hatte ich noch etwas Hoffnung, dass eine internationale Zusammenarbeit zur Rettung der Menschheit doch möglich wäre. Heute ist mir klar, dass bestehende politische und wirtschaftliche Machtstrukturen dies verhindern. Trotzdem gebe ich nicht auf. Unwissen schützt nicht vor Strafe und die Ignoranten werden wohl zuerst an den Folgen des Klimawandels sterben.

Ich werde mich weiterhin weigern, nützliche Idioten auszubilden, sondern meinem Motto treu bleiben: «Den Kindern einen Grund geben, uns nicht zu hassen.» Die Rückmeldungen von jungen Menschen geben mir recht.

Wahre Freundschaften sind nicht käuflich und wer etwas Gutes tut, hat ein glücklicheres Leben. Hier einige Beispiele von jungen Menschen, die etwas Positives bewirken.

Rachel Donald hielt am 22. März an der OST einen Vortrag über die planetare Krise: Making Sense of the Crisis. Die Pressemitteilung dazu ist hier zu finden: Die Atmosphäre glaubt keine Buchhalter-Tricks. Im Video oben spricht sie über die wichtige Rolle von Ingenieuren und Ingenieurinnen.

Roman Thurnherr hat Erneuerbare Energien und Umwelttechnik an der OST studiert und ist jetzt damit beschäftigt, den Seegrund vor Uetikon zu sanieren.

Dylan Derradj und Simon Grundler der OST haben zusammen mit Julian Rieder der ETH eine solarbetriebene Wasseraufbereitungsanlage in Liberia aufgebaut.

Planet: Critical

Join us for an evening with Rachel Donald and other prominent climate and sustainability experts.

Our next climate event at the Ostschweizer Fachhochschule (www.ost.ch) is unfortunately perfectly timed. The latest IPCC reports gives us roughly 7 years to half carbon emissions. That corresponds to more than 9% annually, starting now.

https://www.theguardian.com/environment/2023/mar/20/ipcc-climate-crisis-report-delivers-final-warning-on-15c

«Planet: Critical» live @OST

Rachel Donald – climate corruption journalist and the creator of the “Planet: Critical” podcast – will give her view on why we are destroying the Earth and what can be done about it. Having spent over two years talking to economists, scientists, philosophers, and climate activists, she has gathered a unique perspective on the crises facing humanity. We will need her insights to get out of the mess we are in.

When: Wednesday, March 22, at 17:00.

Where: Ostschweizer Fachhochschule, Rapperswil

Register on eventbrite.

Kleinvieh macht auch Mist

Da der politische Prozess in Sachen Klimaschutz, Klimaanpassung und Energiewende völlig blockiert scheint, wird es wohl an der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft liegen, die Menschheit zu retten. Die gute Nachricht ist, dass wir alle einen Beitrag leisten können.

Ein altes Haus mit einer modernen Solaranlage.

Die Dekarbonisierung der Gesellschaft erfordert unter anderem den massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Wer also über eine geeignete Dachfläche verfügt, sollte so schnell wie möglich eine Solaranlage installieren. Da ich selbst in einer Mietwohnung in Zürich lebe, habe ich meine Solarzellen in Schweden installiert. Sie produzieren seit Anfang Februar Strom.

Auch im Februar lässt sich in Schweden Solarstrom erzeugen.

Diese Solarpanels werden wohl für den Rest meines Lebens etwas mehr als 7000 kWh pro Jahr erzeugen und damit den Energiebedarf des Hauses decken, was für ein Gebäude aus den 50er Jahren nicht schlecht ist. Es ist nicht nur ein gutes Gefühl, den eigenen Strom zu produzieren, sondern es macht auch finanziell Sinn. Die Anlage wird sich in etwa acht Jahren amortisiert haben und danach mindestens 15 Jahre lang kostenlosen Strom liefern. Ein schwedischer Investor formulierte es kürzlich so: «Um heute in erneuerbare Energien zu investieren, muss man kein Risikokapitalist sein. Es reicht, Kapitalist zu sein.»

Selbstverständlich reichen solche Massnahmen nicht aus, um die Menschheit zu retten. Sie haben aber eine wichtige Signalwirkung und zeigen, dass viele Menschen bereit sind, den notwendigen Umbau der Gesellschaft mitzutragen. Wer eine Wärmepumpe und Sonnenkollektoren installiert hat, braucht keine Angst vor einer CO2-Abgabe zu haben.


Die Rückmeldungen auf diesen Post haben gezeigt, dass viele Menschen auch in der Schweiz die private Energiewende umsetzen. Der Verein Energiewende Muri-Gümligen hat ein praktisches Merkblatt dazu veröffentlicht.

Hier noch ein Artikel zur besonderen Situation der Schweiz vom Verband für Nachhaltiges Wirtschaften (öbu):


Den Systemwandel müssen wir trotzdem vorantreiben. Wer sich für die grossen und schwierigen Fragen unserer Zeit interessiert, sollte unbedingt am 22. März nach Rapperswil kommen. Im Rahmen der Nachhaltigkeitswoche werden wir mit Rachel Donald, Graeme Maxton, Irmi Seidel, Rolf Wüstenhagen und Elimar Frank der planetaren Krise auf den Grund gehen. Weitere Details sind hier zu finden: www.ost.ch/planetcritical.

Rachel Donald mit Kim Stanley Robinson, dem Autor des «Ministerium der Zukunft»

Es lohnt sich übrigens, den Youtube-Kanal oder den Podcast von Rachel Donald zu abonnieren. Sie schafft es immer, interessante Leute einzuladen und die richtigen Fragen zu stellen.