Der Plan ist ambitioniert, wie es sich für einen Notstand gebhührt. Bei einer Umsetzung würden weltweit alle Geschäftsmodelle, die von fossilen Brennstoffen abhängig sind, plötzlich unrentabel werden.
Obwohl ich mich eigentlich in Schweden auf der Suche nach der verlorenen Zeit befinde − auch Sabbatical genannt − lasse ich mir die Chance nicht entgehen, etwas Werbung für eine fossilfreie Gesellschaft zu machen. Folgender öffentlicher Anlass am 4. Mai an der Hochschule in Rapperswil dürfte spannend werden.
Innovationstagung am Campus Rapperswil
Sehr geehrte Damen und Herren
Die Anzeichen mehren sich, dass sich das von fossilen Brennstoffen angetriebene Industriezeitalter langsam dem Ende zuneigt. Bei der letzten UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021 haben sich 190 der insgesamt 193 UN-Staaten zum Ausstieg aus der Kohleverstromung bekannt. Mehr als 40 Nationen werden die Finanzierung fossiler Energieträger beenden. Der Methan-Ausstoss und der weltweite Verlust der Wälder sollen ebenfalls verstärkt bekämpft werden. Das sind erste Schritte in eine postfossile Welt ohne einen Treibhausgas-Ausstoss, der den Klimawandel weiter befeuert.
Der Weg, bis dieses Ziel erreicht ist, ist trotzdem noch weit. Verschiedene Interessen stehen einer schnellen Transition zu einem Leben ohne fossile Energieträger und Rohstoffe entgegen. Endloses Wachstum passt kaum mit einem nachhaltigen Ressourcenverbrauch zusammen, aber wie kann eine Wirtschaft ohne Wachstum funktionieren? Die neuen, postfossilen Industrieakteure rangeln mit den etablierten um Sichtbarkeit, politische Unterstützung und Geld. Gesellschaft und Politik tun sich häufig schwer damit, wissenschaftliche Erkenntnisse und Vorschläge in der nötigen Geschwindigkeit zu akzeptieren und umzusetzen.
An der Innovationstagung vom 4. Mai stellen sich unsere vier Referenten diesen und weiteren Fragen und geben Einblick in ihre fachliche und persönliche Sicht auf die Chancen und Herausforderungen auf dem Weg in die postfossile Zukunft.
Wir freuen uns auf interessante Referate, anregende Diskussionen und einen Abend voller Ideen mit Ihnen.
Referate
Prof. Alex Simeon. Stabschef. OST Ostschweizer Fachhochschule Begrüssung und Einleitung Patrick Hofstetter. Umweltorganisation. WWF Schweiz – Zürich Was hat die Politik (noch) nicht verstanden? Prof. Dr. Henrik Nordborg. Studiengangleiter Erneuerbare Energien und Umwelttechnik. OST Ostschweizer Fachhochschule Ist Dekarbonisierung möglich? Marcel Hänggi. Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Verein Klimaschutz Schweiz – Zürich Mit Innovation zu «Exnovation»? Dr. Leonard Creutzburg. Mitbegründer Degrowth Schweiz – Zürich Wachstum über Alles? Die Notwendigkeit von Postwachstum für eine postkarbone Gesellschaft
We are caught in a vicious circle. As long as we use fossil fuels, we need huge armies to secure the energy supply. And as long as we have these armies, we need oil to power them. In order to break this cycle, we need to take money away from the fossil fuel industry. And we need to build trust between nations. A nation that relies on military power is not serious about preventing climate change.
Leadership can best be described as the ability to make the right decisions based on incomplete information. Based on this definition, there are no climate leaders in the world today. Most of what you need to know about the climate crisis can be learned from three simple diagrams based on publicly available data. And yet, we refuse to act.
Seit über acht Jahren halte ich mehr oder weniger regelmässig öffentliche Klimavorträge. Der Auslöser war der Wunsch der Studierenden, mehr über das wichtigste Thema der Zukunft zu erfahren. Denn wie sollen sie sonst wissen, welche Berufswahl für sie die richtige ist?
Seit meinem ersten Klimavortrag im Jahr 2013 hat die Menschheit weitere 360 Gt CO2 in die Atmosphäre gepumpt und die Konzentration ist um 20 ppm auf fast 420 ppm angestiegen. Die mittlere Temperatur der Erde ist heute etwa 0.2 °C höher als damals und wir haben weniger als acht Jahre Zeit, den globalen CO2-Ausstoss um 50% zu reduzieren. An den Lehrplänen hat sich aber wenig verändert. Mit dem rasanten Tempo der Klimazerstörung kann die Politik leider nicht mithalten, weshalb wir nicht nur beim Klimaschutz zu scheitern drohen, sondern auch bei der Klimaadaption. Wir sitzen in einem brennenden Haus und verhandeln über den Preis des Löschwassers. Auch Dürrenmatt wäre es wohl schwergefallen, sich etwas Absurderes auszudenken.
Ich bin nach wie vor überzeugt, dass das Raumschiff Erde noch zu retten ist, wie ich kürzlich in einem Gastbeitrag für higgs.ch dargelegt habe. Die Frage ist, ob wir das wollen. Im Moment sieht es leider nicht danach aus, denn Klimaschutz will das Stimmvolk nur, wenn es nichts kostet. Dabei wäre eine hohe Klimasteuer doppelt wirksam, da sie nicht nur die Energiewende finanzieren würde, sondern auch den Menschen das Geld für «sinnlosen» Konsum wegnehmen würde. Denn das grösste Umweltproblem der Schweiz ist, dass die Menschen zu viel Geld haben, wie mein Kollege Prof. Dr. Rainer Bunge es so schön formuliert hat: Unser Umweltproblem: Zu viel Geld!
Fachkräftemangel droht
Um die Klima- und Nachhaltigkeitskrise zu meistern, brauchen wir auch viele gut ausgebildete Fachkräfte. In der Schweiz haben sich die Fachhochschulen zusammengeschlossen, um gemeinsam auf die Karrieremöglichkeiten im Bereich Energie- und Umwelttechnik aufmerksam zu machen. Daraus ist ein kurzer Werbefilm entstanden.
Energie- und Umwelttechnik studieren
Die Hochschulen in Deutschland sind auch aktiv geworden und machen unter #StudyGreenEnergy Werbung für ihre Studiengänge. Kürzlich wurde eine Onlineveranstaltung mit einem Kurzvortrag von Prof. Dr. Volker Quaschning durchgeführt. Dieser zeigt auf, was für eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland erforderlich wäre und wie viele Arbeitsplätze dabei entstünden.
»Werdet Klimaretter:in – Wie wir die Klimakrise noch stoppen können«
Es ist deshalb erstaunlich, dass so wenig junge Menschen sich für eine Karriere in Energie- und Umwelttechnik entscheiden. Das Bildungssystem soll junge Menschen auf die Welt von morgen vorbereiten. Ob die Schulen heute diesem Auftrag gerecht werden, ist mehr als fragwürdig. Wieso wissen junge Menschen nach der Matura so wenig über die grössten Herausforderungen der Menschheit? Vielleicht haben ihre Leher:innen einfach Angst, den Schüler:innen die Wahrheit zu sagen. Denn die jungen Menschen finanzieren heute unsere Pensionen und erben dafür den Klimawandel. Das ist kein fairer Deal.
Teil des Problems oder Teil der Lösung
Vom amerikanischen Historiker Howard Zinn stammt der Satz «You can’t be neutral on a moving train». Er wollte damit sagen, dass es in Zeiten des politischen und sozialen Umbruchs unmöglich ist, sich neutral zu verhalten. Mit der Klimazerstörung verhält es sich ähnlich und wir müssen uns alle entscheiden, ob wir Teil des Problems oder Teil der Lösung sein wollen. Durch unser Verhalten, politisches Engagement oder unsere Berufswahl können wir alle etwas bewirken.
Ich werde vom März bis August 2022 im Sabbatical sein und mich zu 100% dem Kampf gegen die Klimazerstörung widmen. Dies ist für mich die einzige ethisch vertretbare Entscheidung.
Mit nachhaltigen Grüssen, Henrik Nordborg
Though much is taken, much abides; and though We are not now that strength which in old days Moved earth and heaven, that which we are, we are, One equal temper of heroic hearts, Made weak by time and fate, but strong in will To strive, to seek, to find, and not to yield.