Nicht absent, sondern präsent!

Vor langer Zeit ist mir eine wunderbare Zukunftsvision aus den 50er Jahren in die Hände gefallen. Der Autor, ein deutscher Ingenieur, hat begeistert über die technische Entwicklung der Haushaltgeräte berichtet. Vom Kochherd bis zur Waschmaschine wurden, nach seiner Einschätzung, alle Geräte einfacher zu bedienen. Seine Schlussfolgerung: Die Hausfrauen der Zukunft werden wohl nur einige Knöpfe drücken müssen. Die Vorstellung, dass auch Frauen berufstätig sein wollen oder dass die Männer im Haushalt aushelfen können, war zu visionär. Für den Autor war Innovation ein technisches Gerät mit vielen Knöpfen.

Die Geschichte zeigt exemplarisch, wie eingeschränkt das Denken vieler Menschen ist. Der Physiker Max Planck hat schon festgestellt, dass der wissenschaftliche Fortschritt nur durch das Aussterben älterer Professoren möglich ist. Da wir Menschen immer älter werden, ist die Gefahr gross, dass wir in alten Denkmustern erstarren. Besonders problematisch ist dies, wenn Politiker nicht rechtzeitig abtreten wollen. Zugegebenermassen ist das Alter das kleinste Problem von Donald Trump, aber er sollte lieber seinen wohlverdienten(?) Ruhestand geniessen, statt Politik zu machen. Dies ist kein Votum gegen alte Menschen, aber wieso soll ein 72-jähriger über die Zukunft entscheiden?

Mit der Klimaerwärmung ist die Menschheit anscheinend in diese Falle des erstarrten Denkens getappt. Das Problem fängt schon bei der Formulierung der Kernfrage an. Können wir die Klimaerwärmung stoppen? Die richtige Frage wäre, ob wir mit der Klimazerstörung aufhören wollen. Ohne uns Menschen hätte das Klima nämlich gar keine Probleme. Und die Antwort lautet, dass wir dies wollen müssen. Sonst haben unsere Kinder keine Zukunft, was sie, angeführt von der Jeanne d’Arc der Klimabewegung Greta Thunberg, auch festgestellt haben.

Die gute Nachricht ist, dass wir die Klimazerstörung noch stoppen können, wenn wir mit dem Verbrauch fossiler Brennstoffe aufhören und unsere Essgewohnheiten drastisch ändern. Dafür muss, in den Köpfen vieler Menschen, ein transformatives Umdenken stattfinden. Das Klimaproblem lösen wir nicht, indem wir Benzin- und Dieselautos durch Elektroautos ersetzten, sondern durch eine Neudefinition der Mobilität. Auch das Wirtschaftswachstum und das Wesen des globalen Kapitalismus müssen ernsthaft hinterfragt werden. Eine spannendere politische Aufgabe kann man sich wohl kaum vorstellen. Schnelles Umdenken tut not, da wir sonst Gefahr laufen, grosse Fehlinvestitionen in Infrastruktur und Ausbildung zu tätigen. Sind sechsspurige Autobahnen, eine zweite Gotthardröhre, ein Ausbau des Flughafens Zürich und grosse Investitionen in die Informatikbildung die richtige Antwort auf eine Klimakrise? Wie ein Jugendfreund von mir es mal so schön formuliert hat: «Die Politik will nichts verändern und dies sehr schnell».

Dies macht die jüngsten Klimaproteste der Schüler so aufregend. Sie sind als eine Herausforderung der Jugend an die Erwachsengeneration, zu der ich auch gehöre, zu deuten: «Könnt Ihr noch denken und wollt Ihr noch führen? Wenn nicht, dann macht bitte die Bühne frei für Leute, die noch kreativ sind und Ideen haben». Die Schüler und Schülerinnen, die auf die Strasse gehen, sind nicht unerlaubterweise von der Schule abwesend, sondern in der Politik sehr präsent. Wir Erwachsene müssen wählen, ob wir für oder gegen die eigenen Kinder kämpfen wollen. Ich habe mich schon entschieden!

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